§ 312c BGB, §§ 3, 12 UWG
Zulässigkeit einer Gegenabmahnung
Oberlandesgericht Frankfurt am Main
6. Zivilsenat
Beschluß vom 05.12.2008, 6 W 157/08
In der Beschwerdesache
…
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige
Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt
am Main vom 2. September 2008 am 5. Dezember 2008 b e s c h l o s s e n :
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei
Meidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000,- €, ersatzweise
Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu
vollstrecken an ihrem Inhaber, für jeden Fall der Zuwiderhandlung
untersagt, im geschäftlichen Verkehr bei Fernabsatzverträgen über die Webseite
www…. unter dem Mitgliedsnamen „B“ Ekektroartikel anzubieten, ohne
den Verbraucher gemäß § 312c Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs.
1 Nr. 10 BGB-InfoV über das diesem zustehende Widerrufsrecht zu
belehren;
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Von den Kosten des Eilverfahrens haben die Parteien jeweils die Hälfte
zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt 5.000,- €
G R Ü N D E :
I.
Die Antragstellerin, die ihrerseits zuvor von der Antragsgegnerin wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgemahnt worden war, nimmt die Antragsgegnerin nach vorangegangener Abmahnung vom 16. Juli 2008 wegen des Angebots eines digitalen Satellitenreceivers auf der Web-Seite www… in Anspruch. Das Angebot war dort in der Zeit von 16. bis zum 19. Januar 2008 eingestellt. Die Antragstellerin sieht einen Wettbewerbsverstoß zum einen darin, dass die Antragstellerin entgegen § 312c Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV nicht auf das Widerrufsrecht der Verbraucher hingewiesen habe. Zum anderen wirft sie der Antragsgegnerin vor, mit dem Satz „Neuware mit Rechnung sowie 2 Jahre Garantie“ mit Selbstverständlichkeiten geworben zu haben. Das Landgericht hat den Eilantrag abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, wegen der besonderen Umstände des Falles greife die Dringlichkeitsvermutung des § 12 UWG nicht ein. Solche besonderen Umstände sieht das Landgericht darin begründet, dass Anlass für das Eilverfahren ein bereits seit längerem beendetes, in dieser Form nicht mehr wiederholtes Verhalten war und die Antragsgegnerin im Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme bereits nicht mehr bei der Handelsplattform www…. angemeldet war. Zudem bestehe ein überwiegendes schützenswertes Interesse der Antragstellerin an der Durchsetzung der geltend gemachten Unterlassungsanträge auch deshalb nicht, weil dieses Verfahren und die diesem vorausgegangene Abmahnung vom 16. Juli 2008 lediglich eine Reaktion auf die vorangegangene Abmahnung der Antragsgegnerin gewesen sei und nur der Abwehr dieser Ansprüche gedient habe. Schließlich fehle dem Antrag der Antragstellerin das Eilbedürfnis, weil die Antragstellerin – obwohl bereits am 19. August 2008 auf Bedenken der Kammer hinsichtlich des Verfügungsgrundes hingewiesen worden sei – erst am 1. September 2008 erklärt habe, dass sie an ihrem Antrag weiter festhalte.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
1) Ein Verfügungsanspruch besteht, soweit die Antragstellerin das Fehlen einer
Widerrufsbelehrung rügt.
a) Das von der Antragstellerin als Anlage EV 2 vorgelegte Angebot eines digitalen
Satellitenreceivers auf der Web-Seite www…. enthält keine Belehrung über aus
dem Verbraucher zustehende Widerrufsrecht nach § 312c Abs. 1 BGB in
Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV. Die Werbung verstößt deshalb
gegen § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Senat, Beschl. v. 27. Mai 2008 – 6 W 49/08; KG,
Beschl. v. 09.11.2007 - 5 W 304/07 - GRUR-RR 2008, 131 ff – juris-Tz 33
m.w.Nachw.; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl., § 4, Rn
11.170).
b) Dieser Verstoß ist auch wesentlich im Sinne von § 3 UWG. Denn der fehlende
Hinweis auf das Widerrufsrecht begründet die Gefahr, dass Verbraucher diese
Rechtsposition nicht ausüben und somit eine geschäftliche Entscheidung treffen,
die sie ansonsten nicht getroffen hätten.
2) Ohne Erfolg bleibt der Eilantrag jedoch, soweit die Antragstellerin der
Antragsgegnerin zudem eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten
vorwirft. Der im Antrag zitierte Satz „Neuware mit Rechnung sowie 2 Jahre
Garantie“ kann nur so verstanden werden, dass eine Beschaffenheits- oder
Haltbarkeitsgarantie im Sinne von § 443 BGB gewährt werden soll. Dies stellt
gerade keine Selbstverständlichkeit dar und kann deshalb mit dem
Verfügungsanspruch gemäß Ziffer 2) nicht mit Erfolg beanstandet werden. Soweit
die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 11. August 2008 ergänzend auf eine
...-Auktion der Antragstellerin hinweist (Anlage EV 9), in welcher der Satz
enthalten ist „Sie erhalten selbstverständlich 2 Jahre Gewährleistung“, ist diese
Aussage zum einen nicht Gegenstand des Antrags. Zum anderen ist sie – soweit
damit nunmehr die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche angesprochen sein
sollen – deshalb nicht irreführend, weil die Verbraucher durch das Wort
„selbstverständlich“ mit hinreichender Deutlichkeit darauf hingewiesen werden,
dass keine besonderen Vorteile gewährt werden.
3) Soweit ein Verfügungsanspruch gegeben ist, besteht – entgegen der
Auffassung des Landgerichts – auch ein Verfügungsgrund.
a) Die Eilbedürftigkeit ist nicht deshalb entfallen, weil die von der Antragstellerin
beanstandete Wettbewerbshandlung im Zeitpunkt der Geltendmachung des
Anspruchs bereits beendet war, von der Antragsgegnerin in dieser Form nicht
wiederholt wurde und – zumindest auf der Web-Seite www…. – derzeit nicht
wiederholbar ist, weil die Antragsgegnerin dort nicht mehr angemeldet ist.
Der im Wettbewerbsrecht nach § 12 Abs. 2 UWG zu vermutende
Verfügungsgrund stellt der Sache nach eine besondere Form des
Rechtsschutzbedürfnisses für ein Vorgehen gerade im summarischen Eilverfahren
dar. Die Vermutung des Verfügungsgrundes kann in der Regel nur dadurch
widerlegt werden, dass der Antragsteller in Kenntnis der Verletzungshandlung mit
der Geltendmachung seiner Ansprüche längere Zeit zugewartet und damit zu
erkennen gegeben hat, dass ihm die Sache so eilig nicht ist. Auf diesen – in der
Praxis bedeutsamsten – Aspekt ist die Widerlegung der Vermutung des § 12 Abs.
2 UWG jedoch nicht beschränkt. Das vom Gesetz grundsätzlich anerkannte
Interesse des Gläubigers eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs
an der sofortigen Unterbindung des beanstandeten Verhaltens muss vielmehr
auch dann zurücktreten, wenn aus anderen Gründen, insbesondere wegen des
prozessualen Verhaltens des Antragstellers und wegen der schutzwürdigen
Belange des Antragsgegners, ein Bedürfnis für die Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes ausnahmsweise nicht anerkannt werden kann (Senat, Beschl. v.
08.08.2005 – 6 W 107/05 – Magazindienst 2006, 1175 – juris-Tz 5).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die vom Landgericht
herangezogenen Gesichtspunkte betreffen die Begehungs- bzw.
Wiederholungsgefahr und damit die matereiell-rechtlichen Voraussetzungen des
geltend gemachten Unterlassungsanspruchs (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
UWG, 26. Aufl., § 8 Rd 1.10, 1.32 m.w.Nachw.). Sie könnten dem Unterlassungsanspruch in dem vorliegenden Fall deshalb allenfalls dann entgegen
stehen, wenn aus ihnen der Schluss gezogen werden könnte, die Antragsgegnerin
werde das beanstandete Verhalten unter keinen Umständen mehr wiederholen.
Diesen Schluss ermöglicht aber weder die zwischen der Beendigung der
Wettbewerbshandlung und der – nach Kenntnisnahme durch die Antragstellerin -
rechtzeitig erfolgten Geltendmachung der Ansprüche, noch der Umstand, dass die
Antragsgegnerin (zur Zeit) keine Geschäfte über www…. abwickelt und ihre
späteren Angebote bei ... eine den Anforderungen des Gesetzes entsprechende
Belehrung enthalten. Denn selbst die vollständige Aufgabe eines
Geschäftsbetriebes lässt die Wiederholungsgefahr allenfalls dann entfallen, wenn
es auszuschließen ist, dass der Verletzer denselben oder einen ähnlichen
Geschäftsbetrieb wieder aufnimmt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl.,
§ 8 Rd 1.40).
b) Der sofortigen Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs im Eilverfahren steht
es auch nicht entgegen, dass das vorliegende Verfahren und die Abmahnung der
Antragstellerin vom 16. Juli 2008 eine Reaktion auf die vorausgegangene
Abmahnung der Antragsgegnerin war und der Abwehr dieser Ansprüche gedient
haben mag. Denn auch insoweit geht es nicht um Fragen des Verfügungsgrundes.
Angesprochen ist damit vielmehr die Frage, ob der Antragstellerin eine
rechtsmissbräuchliche Verfolgung ihrer Rechte vorzuwerfen ist, was die
Geltendmachung des Anspruchs nach § 8 Abs. 4 UWG schlechthin unzulässig
werden ließe. Auch dies kann im vorliegenden Fall jedoch nicht angenommen
werden. Denn allein der Umstand, dass ein Wettbewerber, der sich selbst mit
einer Abmahnung konfrontiert sieht, den Abmahnenden auf eigene Verstöße
hinweist, rechtfertigt nicht die Annahme, dieser Wettbewerber lasse sich allein von
sachfremden Gesichtspunkten leiten.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich deshalb von dem Sachverhalt, der der
Entscheidung des Senats vom 8. August 2005 (6 W 107/05 – Magazindienst 2006,
1175) zugrunde lag. Denn dort hatte der Senat die Dringlichkeit deshalb verneint,
weil die dortige Antragstellerin mehrere Wettbewerbsverstöße innerhalb einer
Zeitungsanzeige isoliert angegriffen hatte, nachdem sie zuvor die Gesamtanzeige beanstandet hatte. In diesem Fall bestand ausnahmsweise deshalb kein
überwiegendes schützenswertes Interesse der Antragstellerin an dem sofortigen
Verbot der Einzelaussagen im Eilverfahren, weil ihr die Geltendmachung eines
solchen Anspruchs bereits in dem vorangegangenen Verfahren möglich gewesen
wäre.
c) Schließlich ist die Dringlichkeitsvermutung auch nicht deshalb entfallen, weil die
Antragsgegnerin erst am 1. September 2008 erklärt hat, sie werde ihren Eilantrag
nicht zurücknehmen. Zwar kann auch die Verzögerung des laufenden
Eilverfahrens durch den Antragsteller die Dringlichkeit entfallen lassen (vgl.
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 12 Rd 3.16). In dem vorliegenden
Fall hat die Antragstellerin das Verfahren jedoch rechtzeitig nach Kenntnisnahme
von dem Wettbewerbsverstoß der Antragsgegnerin (am 30. Juni 2008) eingeleitet
und auf den (ersten) telefonisch erteilten richterlichen Hinweis vom 8. August 2008
mit Schriftsatz vom 11. August 2008 zeitnah reagiert. Damit hat die Antragstellerin
auch zum Ausdruck gebracht, dass sie ihren Antrag aufrecht erhält. Die weitere
Verzögerung des Verfahrens, die dadurch eingetreten ist, dass das Landgericht in
einem zweiten Telefonat mit dem Antragstellervertreter am 19. August 2008
nunmehr auf andere Bedenken hingewiesen und über den Eilantrag erst am 2.
September 2008 entschieden hat, kann der Antragstellerin nicht mehr zugerechnet
werden.
4) Die Kostenentscheidung folgt §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.