Gerichtsentscheidung: Strafrecht



§ 184b StGB, §§ 102, 105 StPO

Das Setzen eines Links auf eine Seite mit kinderpornografischen Inhalten ist strafbar.

Landgericht Karlsruhe
Beschluß vom 23.03.2009, Qs 45/09

Beschluß

Die Beschwerde des ... gegen den Beschluss des Amtsgerichts Pforzheim vom 30.01.2009 -8 Gs 7/09- wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30.01.2009 hat das Amtsgericht Pforzheim in dem Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten ... wegen des Tatverdachts des Besitzes kinderpornografischer Schriften u.a. die Durchsuchung dessen Person, der Wohnräume mit Nebenräumen sowie des Fahrzeuges angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist auch nach der Vollziehung des Beschlusses am 17.02.2009 zulässig, erweist sich jedoch in der Sache als unbegründet.

Bei der Anordnung einer Durchsuchungsmaßnahme gemäß § 102 StPO gegen den möglichen Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist lediglich der einfache Verdachtsgrad erforderlich, der im Lichte der verfassungsrechtlichen Anforderung nur gewahrt ist, wenn konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, und der Beschuldigte ernsthaft als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 07.09.2006, 2 BvR 1219/05). Dabei sind die zu suchenden Beweismittel hinreichend konkret individualisiert im Durchsuchungsbeschluss anzufahren. Dem Beschuldigten ... wird vorgeworfen, als Betreiber der Internetseite mittels Link gezielt auf eine Internetseite mit kinderpornografischen Bilddateien verwiesen zu haben. Im Rahmen der Beschwerdebegründung räumt der Beschuldigte zwar ein, die genannte Homepage zu betreiben, jedoch handele es sich bei dem dort gesetzten Link nicht um ein Zugänglichmachen kinderpornografischer Schriften i.S. v. § 184 b Abs. 1 Nr. 2 StGB oder die Teilnahme an der Verbreitung solcher Schriften. Der Beschuldigte sei lediglich das vierte Glied in einer Verlinkungskette und mache sich den fremden Inhalt nicht zu Eigen. Ebenso wenig ergebe sich daraus der Verdacht, dass er selbst kinderpornografische Bilddateien besitze. Ein nach § 184 b StGB strafbarer Besitz solcher kinderpornografischer Schriften könne nicht bereits bei der automatisch vom Computer beim Aufruf der Internetseite vorgenommenen Abspeicherung im sogenannten "Cache" (Arbeitsspeicher) angenommen werden.

Nach Aktenlage ergibt sich gegen den Beschuldigten der Verdacht, zumindest der Teilnahme an dem gem. § 184 b Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbaren Zugänglichmachen kinderpornografischer Schriften als auch des Besitzes kinderpornografischer Schriften im Sinne von § 184 b Abs. 4 Satz 2 StGB.

Strafbar kann sich der Betreiber einer Homepage bereits dadurch machen, dass er einen gezielten Link zu einer Internetseite mit kinderpornografischem Inhalt setzt und damit diese zu einem eigenen Inhalt macht, für den er gemäß § 7 TMG verantwortlich ist. Grundsätzlich ist dabei unabhängig von dem Sitz des Providers nach dem Weltrechtsprinzip (§ 6 Nr. 6 StGB) das deutsche Strafrecht anwendbar. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 27.06.2001 (1 StR 66/01; BGHSt 47, 55 bis 62) den Anwendungsbereich des Verbreitens derartiger Schriften im Internet i.S.v. § 184 StGB wesentlich erweitert. Demnach genügt, dass ein Nutzer Internetseiten aufruft und betrachtet, auch wenn er die Daten nicht selbst auf seinem Rechner auf einem (permanenten) Speichermedium für einen späteren Zugriff ablegt. Ein Verbreiten liegt demnach schon vor, wenn die Datei auf dem Rechner des Internetnutzers in dem - wenn auch flüchtigen - Arbeitsspeicher, dem sog. "Cache-Speicher', angekommen ist. Die moderne Datenübertragung im Internet erfordert insoweit einen für diese Form der Publikation spezifischen Verbreitensbegriff. Ein Zugänglichmachen i.S.v. § 184 b Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt demgegenüber bereits dann vor, wenn eine Datei zum Lesezugriff ins Internet gestellt wird. Unerheblich ist dabei im Unterschied zu einem Verbreiten, ob die Möglichkeit des Zugriffs auf diese Daten von dritter Seite tatsächlich genutzt wird. Der Verteidigung sei insoweit vorliegend aber zugestanden, dass eine täterschaftliche Handlung des Linksetzers meist ausscheidet, weil der Homepagebetreiber durch den bloßen Link über die Datenspeicherung keine eigene Herrschaft hat. Jedoch kann sich der Linksetzer im konkreten Einzelfall der Teilnahme nach den allgemeinen Vorschriften (§ 27 StGB) schuldig machen, wenn er sich die dortigen rechtswidrigen Inhalte zu Eigen macht. Bei undifferenzierten Verweisen auf viele oder sehr umfangreiche Dokumente kann dies im Einzelfall zweifelhaft sein. Grundsätzlich aber wird der Anbieter einer Homepage bereits duroh das Einrichten eines Links aktiv (vgl. BGH a.a.O., Seite 60). Aufgrund der netzartigen Struktur des WORLD WIDE WEB ist jeder einzelne link im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel kausal für die Verbreitung krimineller Inhalte, auch wenn diese erst über eine Kette von Links anderer Anbieter erreichbar sind. Einschränkend ist hier aber im Einzelfall stets zu prüfen, ob sich der Anbieter des Links die strafrechtlich relevanten Inhalte in ausreichender Form zu Eigen macht.

Im vorliegenden Fall war im Hinblick auf die Frage der Beihilfehandlung zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte als Homepagebetreiber nicht nur einen einfachen Link gesetzt hat, sondern gezielt den Weg zu den Zielseiten mit missbilligtem Inhalt mittels sog. Sprungmarken von seiner Seite aus gewiesen hat. Er hat als Anbieter damit bewusst und gezielt den Nutzer mit seinem Ausgangslink auf dem technisch kürzesten Weg zu den inkriminierten Zielseiten navigiert.

Entsprechend den polizeilichen Ermittlungen ist auch davon auszugehen, dass die Seite, auf die der Link führte, bereits zum Zeitpunkt der Setzung des Links entsprechend rechtswidrigen Inhalt enthielt. Nach Aktenlage hat sich der Beschuldigte diesen strafbaren Inhalt der fremden Homepage unter erschwerender Berücksichtigung der eigenen Ausführungen auf seiner Internetseite zu Eigen gemacht. Schließlich konnte in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass der Beschuldigte bereits seit 1994 dreimal wegen des Besitzes und des Verbreitens derartiger inkriminierter Schriften verurteilt werden musste.

Zudem ist ein Anfangsverdacht gegeben, dass sich der Beschuldigte ... auf der Festplatte des beschlagnahmten Computers im Besitz kinderpornografischer Schriften gem. §184 b Abs. 4 Satz 2 StGB befand. Dass es sich im vorliegenden Fall bei den auf den verwiesenen Internetseiten ersichtlichen Digitalbildern um derartige Schriften (§ 11 AbS. 3 StGB) handelt, ergibt sich eindeutig aus den bei der Akte befindlichen Screenshots. Ein vollendeter Besitzerwerb im Sinne von § 168 b Abs. 2 Satz 2 StGB ist entgegen der Auffassung der Verteidigung bereits mit dem automatischen Download in den Arbeitsspeicher dem sogenannten "Cache" gegeben (vgl. BGH Beschluss vom 10.10.2006, 1 StR 430/06; NJW 2007, 95). Die Strafbarkeitsfolge aufgrund des gezielten Aufrufens von kinderpornografischer Seiten im Internet und ihr Betrachten am Bildschirm mit der Folge einer bloßen Speicherung im flüchtigen Arbeitsspeicher stellt auch keine Form des "Gesinnungsstrafrechtes" dar, sondern eine in Anbetracht des Schutzzwecks der Norm, pädophile Pornografie nachhaltig zu pönalisieren und insoweit mit den technischen Innovationen des Internets Schritt zu halten, gebotene Auslegung. Demgemäß wird der angegriffene Beschluss mit der Angabe der zu suchenden Computeranlage nebst den Peripheriegeräten der erforderlichen Eingrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses ebenso gerecht, wobei andere weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung der Tatumstände nicht ersichtlich sind (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 03.07.2006, StV 2006,624-625).

Im Ergebnis war die Beschwerde des Beschuldigten mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.






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