§§ 26, 28, 42, 49 BGB, 13a, 160 FGG, 30, 131 KostO

Vereinsrecht in der Insolvenz

Landgericht Kassel
Beschluß vom 30.12.2004, 3 T 679/04

In der Vereinsregistersache

betreffend den E. e.V.,

Insolvenzverwalterin: Rechtsanwältin Z,

an der weiterin beteiligt sind:

1) Herr X,

Verfahrensbevollmächtiger: Rechtsanwalt S.,

2) Herr Y,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frank Löwenstein & Gil Banhegyi, Baunatal,

3) Herr Z,

4) Herr O,

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel am 30.12.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht O., den Richter am Landgericht Dr. K. und Richter am Landgericht M. beschlossen:


    Die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Witzenhausen vom 28.10.2004 wird als unzulässig verworfen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der übrigen Beteiligten hat der Beteiligte zu 1) zu tragen.

    Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Sachverhalt:

Dem betroffenen Verein war es nicht gelungen, im Jahre 2004 eine ordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen. Namens eines Drittels der Vereinsmitglieder bat der Beteiligte zu 3) beim Amtsgericht um die Ermächtigung für eine solche Einberufung, wobei er und die weiteren Mitglieder den Beteiligten zu 4) mit ihrer künftigen Vertretung betrauten. Nach Anhörung der Beteiligten kam das Amtsgericht diesem Begehren durch Beschluß vom 28.10.2004 nach. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1) als 1. Vorsitzender des Vereins mit seiner Beschwerde vom 01.11.2004. Er macht geltend, das erfoderliche Quorum sei nicht erreicht. Die Beteiligten zu 2) und 4) sind dem entgegengetreten, wobei der Beteiligte zu 2) als 2. Vorsitzender des Vereins unter Berufung auf sein Alleinvertretungsrecht zusätzlich durch Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 13.11.2004 das Rechtsmittel hat zurücknehmen lassen.

Aus den Gründen:

Das gemäß § 160 Abs. 2 FGG an sich statthafte Rechtsmittel war als unzulässig zu verwerfen, weil der Beteiligte zu 1) nicht befugt war, für den betroffenen Verein tätig zu werden, und er selbst kein eigenes Beschwerderecht hat.

Dabei steht dem streitbefangenen Begehren und dem hieran anknüpfenden Beschwerdeverfahren nicht von vornherein entgegen, daß über das Vermögen des Vereins zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und dieser dadurch aufgelöst ist, § 42 Abs. 1 Satz 2 BGB; denn in entsprechender Anwendung von § 49 Abs. 2 BGB existiert der Verein zum Zwecke der Abwicklung bis zur Vollbeendigung als aufgelöster fort (vgl. MüKo, BGB, 4. Auflage, § 42 Rn. 8; Soergel, BGB, 13. Auflage, § 42 Rn. 7; Erman, BGB, 11. Auflage, § 42 Rn. 4). Erloschen ist er erst, wenn die Verteilung des Vermögens im Insolvenzverfahren beendet ist. Da Letzteres offenbar noch aussteht, verbliebt die Mitgliederversammlung für Angelegenheiten beschlußfähig, die nicht vom Insolvenzverwalter zu besorgen oder im Insolvenzverfahren abzuwickeln sind. Sie kann mithin grundsätzlich auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vorstand wählen oder abberufen (vgl. Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Auflage, Rn. 853). Gleichermaßen dauert die Handlungsfähigkeit des Vereins durch seine bisherigen Organe fort, wobei weiterhin die Satzung gilt, soweit nicht einzelne satzungsmäßige geregelte Rechte und Pflichten, etwa die Zuständigkeit für die Vermögensverwaltung, durch die Bestimmungen der Insolvenzordnung verdrängt werden. Insoweit tritt der gerichtlich bestimmte Insolvenzverwalter auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit an die Stelle des Schuldners (vgl. OLG Köln, FGPrax 2001, 214). Soweit dagegen der durch das Insolvenzverfahren nicht verdrängte vereinsrechtilche Bereich berührt ist, behalten die im Zeitpunkt der Eröffnung berufenen Vorstandsmitglieder ihre Organstellung (vgl. OLG Köln, RPfleger 2002, 570).

Dies bedeutet unter den gegebenen Umständen indes nicht, daß der Beteiligte zu 1) die Beschwerde wegen seiner Einzelvertretungsmacht ohne weiteres für den Verein einglegen und der Beteiligte zu 2) sie gleichermaßen zurücknehmen könnte. Zwar sind der erste und der zweite Vorsitzende des Vereins nach § 9 Abs. 2 seiner Satzung jeweils alleinvertretungsberechtigt, das ändert aber nichts daran, daß ihrem Handeln - mit einfacher Mehrheit zu fassende - Vorstandsbeschlüsse im Sinne von § 28 BGB zu Grunde liegen müssen. Wohl kann sich der Verein außenstehenden Dritten gegenüber grundsätzlich nicht auf das Fehlen eines solchen Beschlusses berufen, wenn da handelnde Vorstandsmitglied - hier hier - Einzelvertretungsmacht hat, dies gilt jedoch dann nicht mehr, wenn die Unvereinbarkeit des Vertreterhandelns mit den internen Befugnissen offenkundig ist (vgl. Müko, BGB, a.a.O., § 26 Rn. 17; auch BGH NJW 2003, 1823; BGH NJW 1997, 2678). Hier zeigt schon die Einlegung des Rechtsmittels durch den einen und dessen alsbaldige Rücknahme durch den anderen alleinvertretungsberechtigten Vorsitzenden, daß beide für ihr Handeln zunächst keine - dann bindende - Vorstandsbeschlüsse herbeigeführt hatten. [...].

Ist das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluß, auf den Bezug genommen wird, nach alledem zutreffend davon ausgegangen, daß die satzungsgemäß bestimmte Minderheit von einem Drittel der Mitglieder vergeblich die Einberufung einer Mitgliederversammlung verlangt hatte und daher die Voraussetzungen für eine Ermächtigung im Sinne von § 37 Abs. 2 BGB gegeben waren, hätte die Beschwerde auch sachlich ohne Erfolg bleiben müssen.

Die durch das Beschwerdeverfahren veranlaßten Kosten waren dem Beteiligten zu 1) aufzuerlegen, weil er nicht in der Lage ar, den betroffenen Verein in vermögensrechtlicher Hinsicht zu verpflichten. Zugleich hatte er die notwendigen Auslagen der Beteiligten zu erstatten, § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.


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