Gerichtsentscheidung: Strafvollstreckungsrecht



§§ 68b, 145a StGB, §§ 453, 463 StPO

Ausgestaltung der Führungsaufsicht, Bestimmtheitsgrundsatz

Oberlandesgericht Frankfurt am Main
3. Strafsenat
Beschluß vom 10.08.2007, 3 Ws 738/07


In der Strafvollstreckungssache

gegen Herrn X
Verteidiger: Rechtsanwalt Löwenstein, Baunatal
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
hier: Führungsaufsicht

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 10. August 2007 beschlossen:

    Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den die Führungsaufsicht betreffenden Beschluss des Landgerichts Kassel - 4. Strafvollstreckungskammer - vom 28. Juni 2007 wird verworfen.

    Auf die einfache Beschwerde des Verurteilten wird der vorbezeichnete Beschluss dahin abgeändert, dass die Anordnungen

    - jeden Wohnsitzwechsel auch dem Gericht und dem Bewährungshelfer anzuzeigen,
    - an einer Selbsthilfegruppe teilzunehmen und zusammen mit dem Bewährungshelfer zu klären, ob eine suchttherapeutische Maßnahme zur Verhinderung weiteren missbräuchlichen Alkoholkonsums erforderlich ist, entfallen.

    Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.

    Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe

Das Landgericht Darmstadt verurteilte den Beschwerdeführer am 7. Juli 1999 (rechtskräftig seit 10. Februar 2000) wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Nachdem bereits frühere Anträge des Verurteilten, ihn nach § 57 Abs. 1 StGB bedingt zu entlassen, zurückgewiesen wurden, hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 28. Juni 2007 erneut die Aussetzung abgelehnt, wobei diese Entscheidung nur noch eine Verurteilung durch das Amtsgericht Eschwege vom 7. Dezember 2006 zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten betraf, weil die Strafe aus dem genannten Urteil des Landgerichts Darmstadt bereits am 16. April 2007 vollständig verbüßt war. Im Hinblick auf das für den 11. Juli 2007 notierte Strafende hat die Strafvollstreckungskammer, mit gesondertem Beschluss vom selben Tage die Führungsaufsicht ausgestaltet. Allein gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte, der am 5. Juli 2007 aus der JVA entlassen worden ist. Das Rechtsmittel hat nur den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

Soweit der Verurteilte geltend macht, die Strafvollstreckungskammer habe nicht erörtert, ob die Führungsaufsicht entfallen kann (§ 68f Abs. 2 StGB), richtet sich das Rechtsmittel gegen den Eintritt der Führungsaufsicht als solche und ist als sofortige Beschwerde gemäß § 463 Abs. 3 i.V.m. § 454 Abs. 3 StPO anzusehen.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet. Es handelt sich um einen Fall von Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§ 68f Abs. 1 StGB). Die Anordnung, dass die Führungsaufsicht gemäß § 68f Abs. 2 StGB entfällt, hat Ausnahmecharakter und setzt eine günstige Legalprognose voraus. Deren Vorliegen hat die Strafvollstreckungskammer im Beschluss vom selben Tage, mit dem sie die bedingte Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB abgelehnt hat, nach Einholung eines Prognosegutachtens mit zutreffender und ausführlicher Begründung verneint. Einer Wiederholung dieser Gründe in dem die Ausgestaltung der Führungsaufsicht betreffenden Beschluss vom selben Tage bedurfte es nicht. Ein Absehen von der Maßregel der Führungsaufsicht kam bei dieser Sachlage nicht in Betracht, zumal hierfür entgegen der Ansicht des Verteidigers ein strengerer Maßstab als bei der Prognose nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB gilt (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2006 — 3 Ws 1013/06 m.Nachw.). Der Ausnahmefall, dass im letzten Stadium des Vollzuges neue Umstände eingetreten sind, die nun eine positive Prognose im Sinne von § 67f Abs. 2 StGB ermöglichen würden (vgl. Senat aaO), liegt nicht vor.

2. Soweit die Strafvollstreckungskammer die Führungsaufsicht ausgestaltet hat, ist die einfache Beschwerde gegeben, die nur darauf gestützt werden kann, dass die getroffene Anordnung gesetzeswidrig ist (§ 463 Abs. 2 i.V.m. § 453 Abs. 2 Satz 1 StPO). Der Verurteilte hält die ihm erteilten Weisungen teilweise für unzulässig. Insoweit hat sein Rechtsmittel den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg:

a. Die Weisung, unverzüglich Kontakt zu seinem Bewährungshelfer aufzunehmen ist nicht gesetzeswidrig. Sie wird von § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StGB erfasst (OLG Stuttgart NStZ 1999, 279; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 68b Rn. 7) und genügt auch hinsichtlich des Merkmals der Unverzüglichkeit dem Bestimmtheitsgebot, weil für den Verurteilten damit ohne weiteres erkennbar ist, dass er sich sogleich nach seiner Haftentlassung beim zuständigen Bewährungshelfer zu melden hat.

b. Die Weisung, sich unverzüglich um Arbeit zu bemühen, ist nach § 68b Abs. 2 StGB zulässig (vgl. Hanack in LK, 11. Aufl. § 68b Rn. 34; Lackner/Kühl, StGB25. Aufl. § 68b Rn. 2); jene sich im Falle der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden, ausdrücklich im Gesetz vorgesehen (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 StGB).

c. Die Weisung jeden Wohnsitzwechsel binnen einer Woche der Führungsaufsichtsstelle zu melden, ist nicht zu beanstanden (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StGB), jedoch hat die im Gesetz nicht vorgesehene, weitergehende Meldepflicht auch gegenüber dem Gericht und dem Bewährungshelfer zu entfallen (vgl. Hanack aaO; Lackner/Kühl aaO). Der Angabe der Anschrift der Führungsaufsichtstelle bedurfte es nicht. Die örtliche uns sachliche Zuständigkeit der Aufsichtsstellen ist gesetzlich geregelt (§ '463a Abs. 3 StPO; Art. 295 EGStGB i.V.m. § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Organisation des Bewährungshilfe, der Gerichtshilfe und der Führungsaufsicht vom 25. September 1990 — GVBI I S. 563). Diese besteht danach bei dem für den Wohnsitz des Verurteilten zuständigen Landgericht.

d. Die Weisung, an einer Selbsthilfegruppe für Suchtgefährdete teilzunehmen, und mit dem Bewährungshelfer zu klären, ob eine suchttherapeutische Maßnahme erforderlich ist, genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis. Die Einrichtung, zu der der Verurteilte Kontakt aufnehmen soll, ist genau zu bezeichnen, ebenso die Anzahl und Häufigkeit der Beratungsgespräche (vgl. Senatsbeschluss vom 15. April 2003 3 Ws 439/03). Die Weisung als solche erscheint indessen angesichts der hier immer noch unaufgearbeiteten Alkoholproblematik, die das Risiko erneuter Straffälligkeit des Verurteilten erhöht, auch sachgerecht. Aufgrund der beschränkten Überprüfungskompetenz des Senats ist es diesem jedoch verwehrt, eine dem Bestimmtheitsgebot entsprechende Weisung selbst zu erteilen. Der Kammer ist es unbenommen, eine derartige Weisung (vgl. jetzt ausdrücklich § 68b Abs. 2 Satz 1 StGB n.F) gemäß § 68d StGB auch noch nachträglich zu erlassen (vgl. Senat aaO).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO. Wegen des nur geringfügigen Teilerfolges wird davon abgesehen, die Gebühr zu ermäßigen und einen Teil der Auslagen des Verurteilten der Staatskasse aufzuerlegen.


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